Die Schule der Individualpsychologie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom österreichischen Arzt und Psychotherapeuten Alfred Adler gegründet. Adler bezeichnete seine Lehre als Individualpsychologie, weil er festgestellt hatte, dass jeder Patient als einmaliges Individuum und als Ganzheit zu betrachten ist, und dass sich Körper und Geist nicht voneinander trennen lassen. Diese Entdeckung Adlers bildet heute die Grundlage der Psychosomatik.
Wer war Alfred Adler, der Gründer der Individualpsychologie?
Alfred Adler wurde am 7. Februar 1870 in Rudolfsheim, in der Nähe von Wien, als zweites von sieben Kindern eines jüdischen Getreidehändlers geboren. Nach dem Studium der Medizin praktizierte er zunächst als Augenarzt, dann als Allgemeinmediziner, bevor er sich verstärkt der Psyche seiner Patienten widmete.
Ab 1902 traf er sich bei Diskussionsrunden regelmäßig mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1939). Adler sah den Menschen jedoch – im Gegensatz zu Freud – nicht von Trieben bestimmt, sondern als freies Wesen, das die kulturellen Aufgaben lösen muss, die ihm das Leben stellt. Nachdem sie ihre gegensätzlichen Auffassungen nicht überbrücken konnten, kam es zum Bruch mit Freud.
Die Theorie der Organminderwertigkeit
Adler hat den Begriff der Organminderwertigkeit im Jahr 1907 eingeführt.
Organminderwertigkeit bei Adler bedeutet, dass ein Organ oder ganze Organsysteme mangelhaft ausgebildet sein können. Auch wenn Organe korrekt ausgebildet sind, jedoch ihre Aufgabe nicht vollständig erfüllen können, d. h. in ihrer Arbeitsweise eingeschränkt sind, spricht Adler von Organminderwertigkeit.
Ein Mensch mit einer Organminderwertigkeit muss sich dieser stellen und versuchen, den Mangel zu kompensieren. Gelingt die Kompensation, so kann der Nachteil, beispielsweise durch intensives Training, sogar in einen Vorteil gekehrt werden. Scheitert der Mensch an der Kompensation, könnte er daraufhin eine Neurose entwickeln. (Im Gegensatz hierzu würde ein Mensch jedoch aufgrund einer neurotischen Störung bei Adler keine organische Funktionsstörung oder Erkrankung entwickeln.)
Auch Adler selbst litt an einer Organminderwertigkeit, er hatte Rachitis und beim Weinen bekam er Stimmritzenkrämpfe. In der frühen Kindheit hatte er eine lebensbedrohliche Lungenentzündung.
Die Geschichte der Individualpsychologie
Anfang der 30er Jahre war Adler einer der berühmtesten Psychologen sowohl in Europa, als auch in den USA. Zwischen den beiden Weltkriegen, in der Mitte der 30er Jahre, fand die Individualpsychologie ihren Höhepunkt. Nach dem plötzlichen Tod Adlers, er starb 1937 auf einer Vortragsreise in Schottland an Herzversagen, wurde die Individualpsychologie vor allem in den USA von der freudschen Psychoanalyse verdrängt. In Europa standen die Individualpsychologen unter starkem Druck, weil sie eine «jüdische Wissenschaft» vertraten.
Erst Anfang der 60er Jahre kam es zur Wiederbelebung der Individualpsychologie in Europa.
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